Immer wieder werde ich gefragt: Wie ist Singapur? Und immer wieder schlagen mir Mutigkeitsbekundungen darob entgegen, dass ich einfach in so ein exotisches Land ziehe. Völlig unverdient. Ich fühle mich bemüßigt, mit einigen Meinungen aufzuräumen und einige andere kundzutun.
Also, Singapur ist eine ganz normale westliche Stadt, in der die Leute Englisch sprechen oder das zumindest fließend tun können. Nur dass die meisten Leute halt chinesisch, malay oder indisch aussehen. Oder britisch.
Dass sich die Leute vorwiegend auswärts ernähren, und daher an jeder Ecke eine Halle mit Imbissbuden steht, dass aber natürlich um 2 Euro kein Filetsteak erwartet werden darf, aber durchaus Reis mit ein paar Fleischstücken, oder ein Pot Fischsuppe mit Nudeln. Allerdings ist die Papierserviette selbst beizubringen.
Die Einkommens- und Klassenunterschiede sind viel deutlicher, und Pensionsversicherung gibt es keine. Unsere Putzfrau etwa ist so gebrechlich, dass sie sich beim an ihrem Wagerl anhalten muss wie bei uns die Leute mit Gehhilfe im Altersheim. Die alten Leute arbeiten auch als Tischabräumer in den Essenshallen, wenn sie keine Kinder haben, die für sie aufkommen. Bettler sind keine sichtbar.
Eigentumswohnungen können Private vom Staat zu günstigen Konditionen erwerben. Aber nur als Paar, wenn man auch ordentlich verheiratet ist. Oder mit 35, weil da besteht sowieso nur mehr wenig Hoffnung, diesen Zustand noch zu erreichen. (Ich zieh deshalb hier auch wieder weg.) Bis dahin wohnt man bei den Eltern oder zahlt entsprechende Preise auf dem privaten Markt. Die Wohnungen sind meist mit Zimmer für die Maid ausgestattet, die sich viele um 200€ pro Monat leisten. Das Zimmer hat die Größe eines Abstellraums und Bad/WC für die Maid sind rudimentär. Wer eine Wohnung im Umkreis seiner Eltern kauft, kriegt noch mal kräftig Rabatt. Denn wenn die Großeltern die Kinder betreuen und die Eltern die Großeltern, spart der Staat eine Menge Geld. Was er nicht hat, weil die Steuern extrem niedrig sind, selbst aus Schweizer Sicht.
Singapur besitzt einen der größten Frachthäfen der Welt, auf den ich von meinem Arbeitsplatz blicke, wenn mir fad ist. Der Schiffsverkehr ist auch von der vorgelagerten Insel Sentosa zu beobachten, die zwar ein bisschen Disneyworld-künstlich rüberkommt, aber ein paar mega-coole Strandbars aufweist, gegen die selbst die Chilligkeit der Badis in Züri verblasst.
Die Zeitrechnung ist westlich, wir schreiben das Jahr 2008, das Wochenende fällt hier auf Sa/So. Die Shopping Center sind auch da offen, weil viele Singapurer sonst nicht wissen würden, woraus sie ihren Lebenssinn am Wochenende sonst ziehen sollen. Feiertage sind chinesisch (Neujahr), christlich (Weihnachten), muslimisch (Hari Raya Puasa), buddhistisch (Vesak Day), hinduistisch (Deepavali), sozialistisch (1. Mai) oder national (9. August).
Die Stadt ist bekannt für ihre Sauberkeit, die meisten WCs sind zum Sitzen, alle mit Toilettenpapier, Ausstattung mit Klobürste unüblich. Der öffentliche Verkehr funktioniert. Und in der Stoßzeit gibt es anderswo auch Stau. Obwohl die Anzahl der Autos, sowie die Fahrten durch die Innenstadt mit extremen finanziellen Belastungen in Zaum gehalten werden.
Klar, das Demokratieverständnis ist hier ein anderes. Im Zuge der Liberalisierung von Zeitung und Rundfunk wurde je eine zweite Lizenz vergeben: Die staatliche Zeitung hat jetzt die zweite Fernsehfrequenz inne und die staatliche Zeitung die zweite Zeitungslizenz.
Und wenn den Fonds mit den ganzen Staatsbeteiligungen die Ehefrau des Premierministers managt, der seinerseits Sohn seines Vorgängers ist, sagt hier auch keiner was. Ist auch nicht empfehlenswert. Ein Reuters-Journalist, der das auf- und angegriffen hat, wurde wegen Verleumdung angeklagt, und solche Prozesse hat noch nie der Staat verloren...
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